29.11.2024

Bauarbeiten im Umgang mit Asbest

Wer Umbauarbeiten älterer Häuser plant oder als Mieter Veränderungen der Altbauwohnung vornehmen möchte, kommt mit dem Thema Asbest in Berührung: Seit gut 30 Jahren im Hausbau verboten, steckt die gesundheitsschädliche Mineralfaser laut der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar- Umwelt (IG BAU) noch immer in 9,4 Mio. Häusern. Asbest kann lebensbedrohliche Schäden hervorrufen und gehört zu den häufigsten Verursachern tödlicher Berufskrankheiten. Den Bedrohungen zum Trotz befindet sich die aktuelle Gefahrstoffverordnung in einem Schwebezustand.
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Was dürfen und was müssen Mieter und Vermieter im Bereich Asbest? Foto: Koenen Bauanwälte / Borgmeier PR
Was dürfen und was müssen Mieter und Vermieter im Bereich Asbest? Foto: Koenen Bauanwälte / Borgmeier PR
Das wirft Fragen auf: Wer trägt bei Umbauplänen die Verantwortung für die Gesundheit der Handwerker? Sind Hausbesitzer oder Vermieter vor Renovierungsarbeiten rechtlich zu einer Asbesterkundung verpflichtet? Wo lassen sie Tests durchführen? Was dürfen Mietparteien und wer zahlt die Laboranalyse? Der Leiter des Prüflabors CRB Analyse Service Dr. Stefan Pierdzig und Prof Dr. Andreas Koenen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Fachanwalt für Verwaltungsrecht, beantworten fachliche sowie rechtliche Fragen.

1. Wo steckt Asbest?

Asbest kann in Fliesenkleber, Fensterkitt, Putzen oder Spachtelmassen enthalten sein. „Wir kennen mittlerweile über 3.000 Produkte, die Asbest aufweisen können“, erläutert der promovierte Mineraloge und Laborleiter CRB Analyse Service Stefan Pierdzig. Besonders große Gefahr bringt Staub mit sich, der von bröckelnden Wänden rieselt oder sich beim Zerschellen von Dachplatten verteilt. Unter dem hässlichen alten PVC entdeckt die neu eingezogene Familie einen wunderbaren Schieferboden? Hände weg, der Kleber könnte asbesthaltig sein! Auch beim Entfernen verklebter Fliesen oder Fensterkitts lauert Gesundheitsgefahr.

2. Wie erkennen Renovierende, ob Asbest in Haus oder Wohnung schlummert?

Mit bloßem Auge ist die gefährliche Faser leider nicht zu identifizieren. Lediglich das Bau- beziehungsweise Renovierungsalter gibt Hinweise. Wer Renovierungspläne von älteren Gebäuden hegt, erkundigt sich nach dem genauen Baualter und größeren vergangenen Renovierungen. Wurde das Gebäude vor 1993 erbaut, ist Handeln gefragt – da keine Dokumentationspflicht herrscht, bedeutet ein fehlendes Dokument nämlich nicht, dass keine Renovierung stattfand. Nur eine professionelle Asbestanalyse behebt Unwissenheit.

3. Wer führt professionelle Asbestanalysen durch?

Professionelle Asbestanalytik führen akkreditierte Labore durch. Dies sind qualifizierte Prüflabore, die alle in Norm DIN ISO/IEC 17025 festgelegten Anforderungen an die fachliche Kompetenz und das Qualitätsmanagement-System eines Labors erfüllen. Die Deutsche Akkreditierungsstelle DAkkS  kontrolliert in regelmäßigen Audits Kompetenz sowie Qualitätsmanagement und führt akkreditierte Prüflabore unter https://www.dakks.de/de/akkreditierte-stellen-suche.html auf. Auch der Gesamtverband Schadstoffsanierung e.V.  listet geeignete Labore auf: https://www.gesamtverband-schadstoff.de/. Ein Blick auf die Homepage eines Labors liefert zusätzlich Orientierung: Findet sich dort die aktuelle Akkreditierungsurkunde? Nimmt das Labor regelmäßig an Ringversuchen zu Asbest oder Röntgenfloureszenzanalytik teil und stellt die Teilnahmebescheinigungen transparent auf seine Homepage? Dann befinden sich Nutzer auf der sicheren Seite!

4. Welche Rechte und Pflichten haben Hausbesitzer?

„Der Umgang mit asbestbelasteten Immobilien stellt Hausbesitzer vor eine Bandbreite an Herausforderungen, die vom Erwerb über die Nutzung hin zur Veräußerung reicht“, gibt Prof. Dr. Koenen, Gründer der Koenen Bauanwälte, zu bedenken. Er dröselt auf:

Verkäufer müssen ihre Aufklärungspflicht erfüllen, weil potentielle Asbestverseuchung ein wesentliches Kriterium für oder gegen einen Vertragsabschluss darstellt. Im Jahr 2009 entschied der BGH (BGH, 27. 3. 2009, V ZR 30/08), die Verwendung von gesundheitsschädlichen Stoffen könne einen „kaufrechtlichen Mangel“ darstellen, der gegenüber dem Kaufinteressen „auch ungefragt offenbart werden“ müsse. Ein solcher Mangel besteht dann, wenn Asbest bei Umgestaltungsarbeiten austreten könnte, die auch Laien bewerkstelligen – so entschied zuletzt das OLG Hamm am 04.07.2024 - 22 U 26/24.

Käufer sind insofern verpflichtet, sich über mögliche verwendete Stoffe zu informieren und sich im Zweifel Hilfe durch einen Sachverständigen zu holen. 

Auch Vermieter unterliegen insoweit Pflichten. So sind sie verpflichtet, das Mietobjekt in vertragsmäßigem Stand zu halten und Mieter vor Gesundheitsschäden zu bewahren. Besteht bei erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen das Risiko, dass Asbest freigesetzt wird, stellt dies einen Mietmangel dar, der zur Mietminderung berechtigt. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 urteilte das Landgericht Berlin über eine mit Asbestfasern versehende Bodenfliese und gestand den Mietern eine Minderung von 10 % zu (LG Berlin, Urteil vom 3.12.2010 – 63 S 42/10). Dabei ist die Grenze zwischen abstrakter Gefahr und konkreter Gefährdung fließend; fachliche beziehungsweise beauftragte fachanwaltliche Beratung schützt vor Mietausfällen oder Schadensersatzansprüchen.

5. Welche Rechte und Pflichten haben Mieter?

Asbesthaltige Materialien können also einen mietrechtlichen Mangel darstellen. Nur: Die meisten Mieter wissen jedoch nichts darüber. So ziehen Mieter nicht selten in Altbauwohnungen, ohne sich um Fasern mit karzinogenem Potential zu kümmern. Renovierungsarbeiten wie beispielsweise das Entfernen eines verklebten PVC-Bodens werfen dann allerdings Fragen auf. „Vermieter sollten schriftlich zu einer Mitteilung aufgefordert werden, ob asbesthaltige Stoffe verbaut worden sind“, empfiehlt Koenen. Ernten Mieter Schweigen, können sie ein zertifiziertes Labor mit einer Untersuchung beauftragen. Im Asbestfall teilen sie ihrem Vermieter das Ergebnis schriftlich mit, übermitteln ihm die Laborrechnung und fordern ihn unter Fristsetzung zur Asbestbeseitigung auf. „Greifen die Arbeiten in den Spielraum der Mieter ein, sollten diese eine Mietminderung in Betracht ziehen“. Regt sich der Vermieter daraufhin nicht, könnten Mieter auf dessen Kosten eine Fachfirma beauftragen.

6. Wie lautet die aktuelle Asbestverordnung?

Am 21.08.2024 verabschiedete das Bundeskabinett eine Reform der bis dahin geltenden Verordnung, um arbeitsbedingten Krebserkrankungen besser vorzubeugen. Wichtigste Änderung: strikte Mitteilungspflichten gegenüber Bauunternehmen und Handwerksbetrieben für Sanierungsverantwortliche. „Gut und wichtig“ urteilen Pierdzig und Koenen einhellig. Doch im vierten Entwurf schwächte der Gesetzgeber die Verschärfung wieder ab – und erntete prompt herbe Kritik von Interessensverbänden der Baubranche. Bis zur finalen Fassung genügen Bauherren und Auftragnehmer den Vorgaben der Gefahrstoffverordnung vom 26.11.2010, wenn sie bei Arbeiten mit asbesthaltigen Stoffen, die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 519 „Asbest: ASI-Arbeiten“ beachten. Klarheit darüber verschafft ein Sachkundenachweis des Fachbetriebs über die Teilnahme an einem zertifizierten Lehrgang.

7. Dokumentationspflicht: Stellungnahme

Eine gesetzlich normierte Dokumentationspflicht bei Renovierungen würde hinreichende Sicherheit bringen – dieser Aussage stimmen beide Experten zu. Die Schwierigkeit liegt allerdings in der praktischen Umsetzung: Denn die Vielzahl der Beteiligten erschwert eine Abstimmung zwischen Auftragnehmer und Veranlasser. Wie eine Dokumentation aussehen könnte, ergibt sich aus Sicht von Koenen aus der Leitlinie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Sie dient dazu, „für spätere Arbeiten, Nutzungen und Rechtsgeschäfte (…) eine bauwerksbezogene Informationssicherung als Ergebnis der Erkundung und Beprobung“ zu schaffen.

Quelle
Koenen Bauanwälte / Borgmeier PR


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