
Das Badezimmer im Wandel der Zeit
Dass die Römer bereits vor knapp 2000 Jahren eine prächtige Badekultur an den Tag legten und darin vermeintlicherweise eine Kunst des guten Lebens objektivierten, von der die heutige Wellnesscommunity nur träumen kann, darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dennoch wesentliche Unterschiede zur heutigen Badekultur gibt. Der größte Unterschied liegt vor allem darin, dass die römische Badekultur eine überwiegend öffentliche war, während die unsrige nunmehr eine private ist. Das private Badezimmer ist eine Errungenschaft der Moderne. Allein schon dieser Schwenk vom Öffentlichen zum Privaten korrespondiert mit einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung: Der Epoche der Aufklärung und damit verbunden der Ausbildung zentraler demokratischer Institutionen, die wesentlich auf Privatheit als notwendiger Voraussetzung zur Meinungsbildung und Mündigkeitsentwicklung angewiesen waren und bis heute immer noch sind.
Man mag es glauben oder nicht, aber das Badezimmer wurde auf diese Weise völlig unintendiert zu einem Symbol für Zivilisation. Nicht, dass die Römer nicht auch bereits einen Hauch zivilisatorischer Energie emittierten, doch waren sie, was die Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit angeht, letztlich noch recht primitiv unterwegs - weit entfernt von realdemokratischen Strukturen und Denkweisen.
Der "tägliche Wellness-Urlaub"
Das heutige Badezimmer soll nicht einfach nur eine ungestörte Körperpflege ermöglichen; es soll, so heißt es in einem Werbefilm, einen „täglichen Wellness-Urlaub“ imitieren. Wenn das mal nicht Individualisierung pur ist. Aber mehr noch: Das moderne Badezimmer bietet uns gar noch ein subtileres Bild von der Gesellschaft, in der wir leben. Beispielsweise dürfte heute nahezu jedes Badezimmer mit einer Personenwaage ausgestattet sein. Dieses Gerät ist Ausdruck eines bestimmten Verhältnisses, das wir moderne Menschen zu unserem Körper haben: Wir begreifen ihn als form- und gestaltbar, nicht länger als etwas Naturgegebenes. Und wir gingen dabei sogar soweit, dass wir die Kontrolle über unser Äußeres zu einem gesellschaftlichen Imperativ haben werden lassen, das eben genau darin Ausdruck findet, dass sich zwar nicht jeder gesund ernährt oder Sport treibt, aber zumindest doch eine Waage im Badezimmer stehen hat.
Insofern bleibt nur der Appell an die künftigen Generationen:
Leute, mehr baden bitte!