Badezimmer - Spiegel der Gesellschaft

Was wir heute für selbstverständlich erachten, war lange Zeit nicht einmal den reichsten Mitbür-gern vergönnt. Das private Badezimmer, so wie wir es kennen, ist ein soziohistorisches Produkt jüngeren Datums. Es ist ein Produkt der Moderne, das uns wie ein Spiegel zu erkennen gibt, wie wir und die Welt um uns herum eigentlich "ticken". Das Badezimmer ist ein Spiegel der Gesellschaft, und ein Zeugnis davon, wie sie uns geprägt hat. 
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Badezimmer - Spiegel der Gesellschaft. Foto: pixabay.com
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Das Badezimmer im Wandel der Zeit

Dass die Römer bereits vor knapp 2000 Jahren eine prächtige Badekultur an den Tag legten und darin vermeintlicherweise eine Kunst des guten Lebens objektivierten, von der die heutige Wellnesscommunity nur träumen kann, darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dennoch wesentliche Unterschiede zur heutigen Badekultur gibt. Der größte Unterschied liegt vor allem darin, dass die römische Badekultur eine überwiegend öffentliche war, während die unsrige nunmehr eine private ist. Das private Badezimmer ist eine Errungenschaft der Moderne. Allein schon dieser Schwenk vom Öffentlichen zum Privaten korrespondiert mit einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung: Der Epoche der Aufklärung und damit verbunden der Ausbildung zentraler demokratischer Institutionen, die wesentlich auf Privatheit als notwendiger Voraussetzung zur Meinungsbildung und Mündigkeitsentwicklung angewiesen waren und bis heute immer noch sind. 
 
Man mag es glauben oder nicht, aber das Badezimmer wurde auf diese Weise völlig unintendiert zu einem Symbol für Zivilisation. Nicht, dass die Römer nicht auch bereits einen Hauch zivilisatorischer Energie emittierten, doch waren sie, was die Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit angeht, letztlich noch recht primitiv unterwegs - weit entfernt von realdemokratischen Strukturen und Denkweisen.
 
Badezimmer - Spiegel der Gesellschaft. Foto: pixabay.com
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Das private Badezimmer wurde schließlich erst recht spät zur Normalität. So wurde in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg beispielsweise noch weitestgehend in Zinkbädern, die in der Küche aufgestellt wurden, gebadet - die gesamte Familie im selben Badewasser. Und selbst in den 1950er Jahren noch war für die meisten eine Gusseisenwanne in der Küche das höchste der Gefühle. Erst als das Wirtschaftswunder so richtig um sich zu walten begann, wurden in zunehmend mehr Häusern private Badezimmer installiert. Küche und Bad differenzierten sich als zwei voneinander unabhängige Räume, das private Badezimmer wurde langsam zur Normalität. Dennoch: Mit dem, was heutige Badezimmer sind bzw. sein sollen - nämlich Wellness-Oasen -, waren die anfänglichen privaten Badezimmer nicht zu vergleichen. Gleichwohl zeigten sie einen sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandel an: Eine Individualisierungsbewegung, wie sie heute bis zum Äußersten getrieben zu sein scheint. 

Der "tägliche Wellness-Urlaub"

Das heutige Badezimmer soll nicht einfach nur eine ungestörte Körperpflege ermöglichen; es soll, so heißt es in einem Werbefilm, einen „täglichen Wellness-Urlaub“ imitieren. Wenn das mal nicht Individualisierung pur ist. Aber mehr noch: Das moderne Badezimmer bietet uns gar noch ein subtileres Bild von der Gesellschaft, in der wir leben. Beispielsweise dürfte heute nahezu jedes Badezimmer mit einer Personenwaage ausgestattet sein. Dieses Gerät ist Ausdruck eines bestimmten Verhältnisses, das wir moderne Menschen zu unserem Körper haben: Wir begreifen ihn als form- und gestaltbar, nicht länger als etwas Naturgegebenes. Und wir gingen dabei sogar soweit, dass wir die Kontrolle über unser Äußeres zu einem gesellschaftlichen Imperativ haben werden lassen, das eben genau darin Ausdruck findet, dass sich zwar nicht jeder gesund ernährt oder Sport treibt, aber zumindest doch eine Waage im Badezimmer stehen hat. 
 
Badezimmer - Spiegel der Gesellschaft. Foto: pixabay.com
Badezimmer - Spiegel der Gesellschaft. Foto: pixabay.com
An der Einrichtung bzw. Ausstattung unserer Badezimmer können wir aber auch ablesen, dass wir in einer beschleunigten Gesellschaft leben. So verfügen beispielsweise viele Badezimmer nur über eine Dusche; auf Badewannen wird oftmals verzichtet, da keine Zeit bleibt, in ihnen zu verweilen. Der gegenwärtige Trend, freistehende Badewannen im Jugendstil einzubauen verweist nur vermeintlich auf eine Rückbesinnung auf Muße, denn die meisten werden lediglich als Statussymbole behandelt - das heißt im worst case: eingebaut und nie benutzt. 

Insofern bleibt nur der Appell an die künftigen Generationen:
Leute, mehr baden bitte!

Quelle30.01.2019
a.b.

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