Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020

Architektur ist, so hat es Ernst Bloch einmal formuliert, der „Produktionsversuch von Heimat“. Ein starker Begriff, wie ich finde, der die Architektur weit über die technische Disziplin, ein ordentliches Haus abzuliefern, hinaushebt.
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Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020
Ausgezeichneter Wohnungsbau: Die besten Wohnbauten Deutschlands 2020. Foto: Callwey
Heimat ist sicher keine Postadresse eines Wohngebäudes, auch nichts, was in vier Wänden stattfindet. Heimat ist, soziologisch gesprochen, die Projektionsfläche für die Sehnsucht nach bleibenden Werten.

Wenn heute in Zeiten extremer Flächenknappheit in deutschen Großstädten bei Bürgerversammlungen über Verdichtung und Hochhäuser gesprochen wird, löst das mehrheitlich Entsetzen aus. Gleichzeitig fotografieren wir die engen Altstadtgassen unserer unzerstörten oder wiederaufgebauten Altstädte mit ebenso großem Entzücken wie die engen Gassen Venedigs, die Silhouette von Orvieto oder die pittoresken Dörfer der Cinque Terre. Wenn die GFZ oder die GRZ dieser Siedlungen bekannt wären, würde man das abstrakt für menschenfeindliche Architektur halten. Das macht klar: Dichte allein ist kein Problem, wenn die städtebauliche Qualität stimmt.

Ein Haus steht nicht für sich allein, sondern korrespondiert mit der Umgebung. Seine Qualität resultiert gleichermaßen aus dem privaten „Inneren“ wie aus seiner Interaktion mit dem Draußen, also mit den halböffentlichen Räumen und dem öffentlichen Raum. Diese Schichtungen zwischen dem privaten, halböffentlichen und öffentlichen Raum sind der Wesensgehalt der europäischen Stadt seit ihrer Entstehung. Das Private in der europäischen Stadt gab (und gibt uns heute) Schutz, Sicherheit und die Autonomie, unsere eigene Individualität im Stadtorganismus zu entwickeln. Gute Architektur produziert aber nicht nur Heimat, sondern auch Ästhetik, Maßstäblichkeit, Interaktion zwischen Alt und Neu, technischen Fortschritt z. B. in ökologischen Fragen. Gute Architektur ist Wellness für unsere Augen.

Es gibt kaum ein langlebigeres Produkt in unserer Volkswirtschaft als Gebäude. Deshalb soll man auf dem Stand des jeweils noch nicht widerlegten Irrtums ökologisch bauen, deswegen muss Architektur das Umfeld aktiv berücksichtigen und dort, wo Bestandsgebäude umgenutzt oder reaktiviert werden, die Historie respektieren, ohne sie für unantastbar zu erklären. Schlechte Baukultur ist eine Sünde, die jahrzehntelange Reue nach sich ziehen kann, so lange eben, wie man das anschauen muss, was nicht hätte gebaut werden dürfen. Das, was unbedingt hat gebaut werden müssen und woran wir uns erfreuen, findet sich in diesem Jahresband zu ausgezeichnetem Wohnungsbau im doppelten Wortsinn.
 
Ideen für den Wohnungsbau
Wohnungsbau im Jahre 2020. Foto: Callwey
Schwierige Grundstückszuschnitte, Lagen an städtebaulich tektonischen Gräben, Altbausubstanz, die man zu anderer Zeit vielleicht abgerissen hätte, für all das finden sich im 2020er-Jahrgang gute und beste Beispiele: Architektur, die gefällt, ohne gefällig zu sein, Raumkonzepte, die auf unterschiedliche Lebensformen reagieren, Orte zum Leben mit Lebensqualität, Bauten, die das Kriterium, Wellness für die Augen zu sein, erfüllen. Der Respekt gebührt sowohl den jeweiligen Baumeistern wie auch den dahinterstehenden Investoren (erfreulicherweise nicht selten öffentliche Bauherren), es nicht so gemacht zu haben, wie es alle gemacht hätten. Das ist eben der kleine Unterschied.

Fakten zum Wettbewerb

Der Award Deutscher Wohnungsbau wurde 2019 zum ersten Mal ausgelobt. Dieses Jahr hat die Jury Preise in zehn Kategorien ausgesprochen: Außenraum/Landschaftsarchitektur, Modularer Wohnungsbau, Nachverdichtung, Nachhaltiges/Energiekonzept, Partizipative Planung, Premiumwohnen, Quartiersentwicklung, Revitalisierung/Umbau, Sozialer Wohnungsbau und Wohnhochhaus.

Im Buch sind die besten 35 Projekte dokumentiert. Die Jury vergab einen ersten Preis, eine Sonderauszeichnung, vier Anerkennungen und 29 Auszeichnungen. Partner des Wettbewerbs sind das InformationsZentrum Beton, das Architektur-Magazin Baumeister, die Messe München mit der ExpoReal, BAUINDUSTRIE sowie der ivd.
 
Wohnen im Eichenpark
Wohnen im Eichenpark, Südansicht. Foto: Callwey

1. Preis 

Metropolenhaus Am Jüdischen Museum
Auftraggeber: Metropolenhaus AM Jüdischen Museum GmbH & Co. KG
Architekten: bfstudio Partnerschaft von Architekten mbB Benita Braun-Feldweg & Matthias Muffert

Sonderauszeichnung 

Altes Garmisch neu gelebt
Auftraggeber: VEHBL GbR Baugemeinschaft Quartiersentwicklungsgesellschaft Konstanz 
Architekten: Beer Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner GmbH

Anerkennungen gingen an

  • Eisberg, Auftraggeber: Privat, Architekten: rundzwei Architekten Reeg und Dufour GmbB
  • Stadtvillen Freiburg, Auftraggeber: IBA Immobilien GmbH, IWP-Immo-Wohnbau-Projekt GmbH & Co. Breisgau, Architekten: sacker
  • Liebighöfe, Auftraggeber: Stadtbau Aschaffenburg GmbH, Architekten: Bruno Fioretti Marquez
  • Gropiusallee, Auftraggeber: WGD Wohnungsgenossenschaft Dessau e.G.
  • Architekten: Heide & von Beckerath

Auszeichnungen gingen an

Außenraum/Landschaftsarchitektur:
  • Hartenecker Höhe, Auftraggeber: Stadt Ludwigsburg, Architekten: Planstatt Senner, Überlingen
Modularer Wohnungsbau:
  • LiWood Punkthaus, Auftraggeber: GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH, Architekten: Grassinger Emrich Architekten GmbH
Nachhaltiges Energiekonzept:
  • P#01 Das Nest, Auftraggeber: NEST Ecoproject Verwaltung GmbH, Architekten: NEST Architekten GbRErstes energieautarkes Mehrfamilienhaus Deutschlands, Auftraggeber: Wilhelmshavener Spar- und Baugesellschaft eG, Architekten: Wilhelmshavener SPAR + BAU Wohnungsgesellschaft
Nachverdichtung:
  • AHOJ! Zu Hause im Richardkiez, Auftraggeber: urban space Immobilien Projektentwicklung GmbH & Co. KG, Hamburg, Architekten: Arnold und Gladisch Architekten BDA
  • Wohnhaus Buchauerstraße, Auftraggeber: Eurytos Hausbau GmbH & Co. KG, Architekten: Reinhart + Partner Architekten und Stadtplaner mbB
  • Platensiedlung, Auftraggeber: ABG Frankfurt Holding, Architekten: LiWood Holzmodulbau AG, Stefan Forster GmbH
Partizipative Planung:
  • Der kleine Prinz, Auftraggeber: Baugemeinschaft Der kleine Prinz, Architekten: dressler mayerhofer rössler srchitekten und stadtplaner gmbh
  • Prinz-Eugen-Park, Auftraggeber: Progeno Wohnungsgenossenschaft eG, Architekten: Lang Hugger Rampp GmbH
  • Holzhaus am Waldpark, Auftraggeber: Baugruppe Holzhaus am Waldpark, Architekten: Scharabi Architekten PartG mbB
Premiumwohnen:
  • Wohn- und Geschäftshaus Feilitzschstraße, Auftraggeber: Witte Projektmanagement GmbH, Architekten: Kupferschmidt Architekten GmbH
  • WAVE Waterside Living, Auftraggeber: Bauwerk Capital GmbH & Co. KG, Architekten: GRAFT Gesellschaft von Architekten mbH
  • Stadthaus G82, Auftraggeber: Christina und Michael Rogusch, Architekten: pier7 architekten GmbH
Quartiersentwicklung:
  • Quartier 52° Nord, Auftraggeber: BUWOG Bauträger GmbH, Architekten: ASTOC Architects & Planners , Köln; kba Architekten und Ingenieure GmbH, Berlin; PA GmbH Pätzold Architekten; Stefan Wallmann Landschaftsarchitekten BDLA, Berlin
  • Am Bramfelder Dorfgraben, Auftraggeber: Wohnungsverein Hamburg von 1902 eG und C.E. Danger GmbH & Co. KG; Architekten: Hohaus Hinz & Seifert Architekturgesellschaft
  • Gebäudeensemble im Kringsgat, Auftraggeber: K+ Projekt GmbH, Architekten: Kirchner Architekten Partnerschaft mbB
  • Fasanenhöfe, Auftraggeber: Eurytos Hausbau GmbH & Co. KG, Architekten: Reinhart + Partner Architekten und Stadtplaner mbB
  • Le Quartier 1 im Wohnpark am Ebenberg, Auftraggeber: Reuter Real Estate GmbH, Architekten: Kupferschmidt Architekten
  • Wohnen im Eichenpark, Auftraggeber: Saccullo Massivhaus GmbH, Architekten: Guder Hoffend Architekten
  • Hafengold, Auftraggeber: Deutsche Wohnwerte GmbH & Co. KG, Architekten: Fischer Architekten GmbH Architektur und Stadtplanung BDA
  • Parklogen Schwabing, Auftraggeber: LIP Ludger Inholte Projektentwicklung GmbH, Architekten: prasch buken partner architekten PartG mbB
Revitalisierung/Umbau:
  • SonnenTurm im Finkenpark, Auftraggeber: Evangelisches Siedlungswerk in Bayern Bau- und Siedlungsgesellschaft mbH, Architekten: AGZ Zimmermann Architekten GmbH BDA
  • Gründerviertel, Auftraggeber: Wohnungsbaugesellschaft Ostholstein mbH, Architekten: Architekten Philipe Roden & Rolf Kuhfeldt Partnerschaft
Sozialer Wohnungsbau: 
  • Wohnanlage Deininger Weg, Auftraggeber: Stadt Neumarkt in der Oberpfalz, Architekten: Diezinger Architekten GmbH
  • Paul-Zobel-Straße, Auftraggeber: HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH, Architekten: Heide & von Beckerath
  • Familiengerechtes Bauen in den Donauauen, Auftraggeber: Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt GmbH, Architekten: Therese Strohe Michael Ullrich Architekten Partnerschaftsgesellschaft mbB, Berlin
  • Brüxer Straße, Auftraggeber: Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Erlangen mbH, Architekten: grabow klause architekten partmbb
  • Wohnanlage Peisserstraße, Auftraggeber: Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt GmbH, Architekten: Diezinger Architekten GmbH
Wohnhochhaus:
  • Strandhaus by Richard Meier, Auftraggeber: Quantum Projektentwicklung GmbH, Architekten: Richard Meier and Partners Architects LLP

Die Autorin 

Cornelia Dörries studierte Soziologie in Berlin und Manchester. Sie war langjährige Redakteurin beim Deutschen Architektenblatt. Als freie Journalistin publiziert sie vorrangig in den Bereichen Stadtentwicklung, Stadtgeschichte, Architektur und Innenarchitektur.

Die Jury

Lars Krückeberg, Gründungspartner GRAFT Architekten GmbH, Sieger der Kategorie Umbau 2019
Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur 
Ulrich Nolting, Geschäftsführer InformationsZentrum Beton
Josef Schmid, Mitglied des Ausschusses für Wohnen, Bau und Verkehr im Landtag
Sabine Schneider, Editorial Manager des Architekturmagazins „Baumeister“ 
Inga Stein-Barthelmes, Geschäftsbereichsleiterin Politik, Kommunikation und Presse des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie 

Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020 
Die besten Wohnungsbauten 2020
Cornelia Dörries 
2020. 272 Seiten, 300 farbige Abbildungen und Pläne
23 x 30 cm, gebunden
€ [D] 98,- / €[A] 100,80; sFr. 132,00
ISBN: 978-3-7667-2488-5

Weitere Infos unter: deutscher-wohnungsbau.de.

Quelle20.11.2020
Georg D.W. Callwey GmbH & Co. KG

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