Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik haben in den letzten Monaten gemeinsam die Grundlagen für das deutsche Bewertungssystem entwickelt. Sie haben die Themenfelder des nachhaltigen Bauens definiert sowie entsprechende Kriterien und Anforderungen festgelegt.
Das deutsche System zeichnet sich durch ein hohes Maß an Flexibilität aus. So lässt sich das Zertifikat kontinuierlich an gesellschaftliche, technische und wissenschaftliche Entwicklungen anpassen. Ebenso einfach ist es, Zertifikate für unterschiedliche Gebäudetypen und Nutzungsarten zu entwickeln, etwa für Einkaufszentren, Schulen oder Autobahnbrücken – seien es Neu- oder Bestandsbauten. Das System ermöglicht darüber hinaus eine einfache Anpassung an spezifische Anforderungen anderer Länder weltweit.
Für die Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Bauwerkes wurden sechs Themenfelder definiert:
- Ökologie
- Ökonomie
- Soziokulturelle und funktionale Aspekte
- Technik
- Prozesse
- Standort
Bei der „Ökonomie“ spielen die Lebenszykluskosten eine tragende Rolle. Besonders wichtig ist hier die transparente Darstellung dieser Kosten. Von einer solchen Offenlegung wird insbesondere die Immobilienwirtschaft profitieren, denn sie erhält ein Instrument, mit dem sie – auf einen Blick – die Betriebs-, Reinigungs- und Instandhaltungskosten eines Gebäudes erfassen kann.
Auch die „soziokulturellen und funktionalen Aspekte“ sind für die Immobilienwirtschaft von großem Interesse, denn Nutzerkomfort, Wohn- und Arbeitsgesundheit spielen bei der Vermarktung eine zunehmend größere Rolle. Thermische Behaglichkeit, Frischluftzufuhr, Nutzung von Tageslicht und akustischer Komfort haben in Büro- und Verwaltungsgebäuden einen direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Fehlzeiten von Mitarbeitern und schaffen ein positives Umfeld für Kunden.
Im Themenfeld „Technik“ wird der bauliche Zustand eines Bauwerkes erfasst. Hier geht es beispielsweise darum, wie reinigungs-, instandhaltungs- und reparaturfreundlich die eingesetzten Materialien und die Baukonstruktion sind oder welche bauphysikalischen Eigenschaften die Gebäudehülle besitzt.
Im Bereich der Prozessqualität werden Konzeption und Realisierung des Bauwerks betrachtet. Unter dem Stichwort „Integrale Planung“ wird etwa untersucht, ob und ab wann die beteiligten Fachdisziplinen und Behörden in den Planungsprozess einbezogen werden.
Das Zertifikat berücksichtigt darüber hinaus Standortfaktoren, die positive Wirkungen für Umwelt und Gesellschaft haben, etwa die Anbindung eines Gebäudes an den öffentlichen Personennahverkehr.
Verliehen wird das Nachhaltigkeitszertifikat von der DGNB und dem BMVBS. Architekten und Planer können sich durch eine Zusatzausbildung als Zertifizierer qualifizieren. Sie haben dann die Möglichkeit, Bauherren in allen Fragen des nachhaltigen Bauens zu beraten und in der Planungsphase ein objektspezifisches Pflichtenheft zu erstellen. Dies bildet die Basis für ein so genanntes Vorzertifikat, das der Bauherr frühzeitig für die Vermarktung seines Gebäudes nutzen kann. Das Endzertifikat wird nach der Fertigstellung verliehen.
Derzeit entwickelt die DGNB die Curricula für die Ausbildung derjenigen, die die Zertifizierungen durchführen werden. Ebenso werden Akkreditierungsmöglichkeiten für Prüfer geschaffen.
Alle an Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden beteiligten Partner wurden von Anfang an in die Entwicklung des deutschen Nachhaltigkeitszertifikats einbezogen. Diese Gruppe hat ein zukunftsweisendes und anpassungsfähiges System geschaffen, von dem die gesamte deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft profitieren kann. Im zweiten Halbjahr 2008 startet die Testphase, in der die ersten Gebäude zertifiziert werden. Die Markteinführung des fertigen Systems ist für Anfang 2009 vorgesehen. In der ersten Phase stehen neue Büro- und Verwaltungsgebäude im Mittelpunkt. Zertifizierungsregeln für andere Gebäudetypen sowie Bestandsbauten werden direkt im Anschluss folgen.
Die Pluspunkte des Zertifikats für die Bau- und Immobilienwirtschaft auf einen Blick. Es:
dokumentiert positive Effekte eines Gebäudes für Umwelt und Gesellschaft macht die hohe Qualität eines Gebäudes gegenüber Eigentümern wie Nutzern sichtbar liefert klare Hilfestellung bei der Planung von nachhaltigen Gebäuden gibt Investoren bereits im Planungsstadium die Sicherheit, dass die gewünschte Performance eines Gebäudes bei der Fertigstellung tatsächlich erreicht werden kann erhöht die Chancen bei Verkauf und Vermietung eines Gebäudes mindert das Risiko hohen Energieverbrauchs und hoher Kosten in der Nutzungsphase stellt in Gewerbeobjekten ein hochwertiges Arbeitsumfeld für Mitarbeiter und Kunden sicher verbessert die Akquisitionschancen für Architekten und Planer und führt zu einer höheren Wertschätzung ihrer Planungsleistungen basiert auf dem Lebenszyklusgedanken, der auch für PPP-Projekte unabdingbar ist unterstützt den Export deutscher Produkte und Dienstleistungen erhöht die Attraktivität des deutschen Immobilienmarktes für Investoren aus dem Ausland dient als Instrument in der Unternehmenskommunikation von Investoren und Eigentümern und dokumentiert ihr Engagement im Bereich der Nachhaltigkeit.
Premiere feiert das neue Zertifikat am 17./18. Juni 2008 im Rahmen der Consense, Internationaler Kongress und Fachausstellung, auf der Neuen Messe Stuttgart. Dort wird das Zertifizierungssystem erstmals detailliert der Öffentlichkeit vorgestellt.