11.04.2025

Bauflächenverschwendung in bester Lage

Ein Paradebeispiel: das Paloma-Quartier auf St. Pauli. Seit dem Abriss der Esso-Häuser 2014 klafft mitten auf der Reeperbahn ein riesiges Loch, wo einst Sozialwohnungen, Läden und der berühmte Molotow-Club ihr Zuhause hatten. In den vergangenen 10 Jahren erfolgte keinerlei Umsetzung einer neuen Bebauung. Durch Proteste, Einwirken der Stadt und Ansprüche der Mieter und Initiativen entstand ein Plan für die Bebauung. Doch der Eigentümer des Grundstücks, die Bayerische Hausbau, baut nicht. Stattdessen erwarben im November 2024, also 10 Jahre später, die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA und die Quantum Immobilien AG das Grundstück direkt von der Bayerischen Hausbau Development. Durch die Übernahme durch SAGA und Quantum soll nun bis 2028 ein Projekt mit 100 Prozent öffentlich gefördertem Wohnraum, Kreativflächen und einem Hotel entstehen. 
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Der Abriss der Esso-Häuser erfolgte bereits 2014. Seitdem ärgert die stillstehende Baustelle Bürger und Stadtverwaltung. Foto: Muhme Photography
Der Abriss der Esso-Häuser erfolgte bereits 2014. Seitdem ärgert die stillstehende Baustelle Bürger und Stadtverwaltung. Foto: Muhme Photography
Solche ungenutzten, hitzig diskutierten Flächen gibt es in vielen Städten. Warum greifen Kommunen nicht einfach ein? Das gemeindliche Vorkaufsrecht könnte eine Antwort auf den Wohnungsmangel sein. Rechtsanwalt René Thomas von Koenen Bauanwälte erklärt, wie es funktioniert.

Das Vorkaufsrecht im Baugesetzbuch

Die Paragraphen 24 bis 28 BauGB regeln das Vorkaufsrecht von Städten und Gemeinden. Ihr Ziel ist es unter anderem, brachliegende Flächen im Sinne des Allgemeinwohls ohne aufwendige Enteignungsverfahren zu sichern. Lange spielte dieses Recht kaum eine Rolle, doch mit zunehmendem Flächenmangel und politischer Brisanz steigt seine Bedeutung. Im Zuge dieser Entwicklung erweiterte der Gesetzgeber das Baulandmobilisierungsgesetz 2021 für Vorkaufsrechte: Es sieht nun vor, brachliegende Grundstücke dem Immobilienmarkt als Spekulationsobjekte zu entziehen. „Der Bundesrat wünschte sich weitergehende Regelungen, etwa dass für Wohnanlagen mit mehr als 50 Wohneinheiten ein Vorkaufsrecht der Gemeinde einzurichten sei, sofern nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld zu befürchten wären“, berichtet Bauanwalt René Thomas. Die Bundesregierung wies diese Vorschläge des Bundesrates allerdings ab. „Eine weitergehende Reform des kümmerlichen Vorkaufsrechts wird künftig jedoch unabdingbar“, bewertet Thomas.
 
Eine besondere Herausforderung sind sogenannte Share Deals: Dabei kauft eine Firma Shares, also Anteile an einem anderen Unternehmen, das ein Grundstück besitzt. Dadurch wechselt das Grundstück den Eigentümer, ohne dass Grunderwerbssteuer fällig wird. Hamburg nutzte Ende 2022 als erste Stadt Deutschlands das Vorkaufsrecht in einem solchen Fall, um Bodenspekulationen einen Riegel vorzuschieben. „Wegen ihrer unklaren Rechtslage sind Share Deal-Vorkaufsrechte bisher selten“, beobachtet der Koenen-Anwalt. „Bisher haben nur Hamburg und Berlin diese in Anspruch genommen. Hier existiert ohne Frage Reformbedarf.“ 

Warum baut denn hier niemand?

Nicht immer liegt es an Spekulation, wenn eine Fläche unbebaut bleibt. Oft haben Städte zwar ein gesetzliches Vorkaufsrecht, nutzen es aber aus finanziellen oder strategischen Gründen nicht. Zudem können unklare Eigentumsverhältnisse, laufende Rechtsstreitigkeiten oder langwierige Genehmigungsverfahren Bauprojekte verzögern. „Umweltauflagen, Denkmalschutz oder Konflikte mit Bebauungsplänen sind häufige Ursachen für Stillstand“, so Thomas. In manchen Fällen spekulieren Eigentümer bewusst auf eine Wertsteigerung, anstatt zu bauen – rechtlich schwer zu unterbinden, solange keine aktiven bauordnungsrechtlichen Maßnahmen wie ein Baugebot im Sinne des § 176 BauGB ergriffen werden. Auch wirtschaftliche Schwierigkeiten spielen eine Rolle: Investoren springen ab oder Bauherren melden Insolvenz an, wodurch Projekte ins Stocken geraten. Schließlich können fehlende Infrastruktur oder Altlasten auf dem Grundstück Bauvorhaben erheblich verteuern und verzögern.
 
„Das Vorkaufsrecht ist ein starkes Instrument, um Stadtentwicklung aktiv zu gestalten. Doch es braucht klarere Regeln, um es effektiv nutzen zu können“ resümiert René Thomas. 

Quelle
Koenen Bauanwälte / Borgmeier PR


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