
Der Neubauriegel zeichnet sich durch eine offene Raumaufteilung mit Wohn-, Koch- und Essbereichen aus. Grafik: VELUX Deutschland GmbH
Das deutsche Projekt ist ein Modernisierungs-Vorhaben in Hamburg-Wilhelmsburg. Der Name des Experiments „LichtAktiv Haus“ steht für die aktive Auseinandersetzung von VELUX mit den Herausforderungen der Baubranche. Eine optimale Versorgung mit Tageslicht spielt bei der Erfüllung moderner Wohnbedürfnisse eine zentrale Rolle – neben innovativen Lösungen für nachhaltige Energieversorgung und Wohnraum-Klimatisierung.
Ein typisches Siedlerhaus
Das Objekt ist ein typisches Siedlungshaus aus den 1950er-Jahren mit knapp 1.100 m² Grundstücksfläche. Neben Wohnhaus mit Anbau prägt der große Nutzgarten, der einst die Selbstversorgung der Siedler gewährleisten sollte, die ursprüngliche Grundstückseinteilung. Hier konnten die Bewohner ihr eigenes Obst und Gemüse anbauen. Auch zur Tierhaltung ließ sich das Areal nutzen.
Die unsanierte Doppelhaushälfte kennzeichnen kleine, gedrungene Räume mit insgesamt lediglich 18 m2 Fensterfläche. Die Folge: einengende Wohnräume und eine geringe Tageslichtausbeute, die modernen Wohnbedürfnissen nicht entsprechen.
Studenten liefern kreativen Input
Der „Siedler-Gedanke“, die Nahrungsautarkie der Bewohner, inspirierte die Entwurfsplanung für die Umsetzung des deutschen Model Home 2020. Unter der Leitung von Professor Manfred Hegger, Lehrstuhl für Entwerfen und Energieeffizientes Bauen an der TU Darmstadt, entwickelten zunächst Architektur-Studenten an der TU im Rahmen eines geschlossenen Wettbewerbs Ideen, Konzepte und Modelle. Die Gewinnerin Katharina Fey nennt ihren Entwurf „…aus eigenem Anbau“. Fey greift die Idee der Selbstversorgung und Unabhängigkeit auf und passt sie an die Vorstellungen der Bewohner des 21. Jahrhunderts an. Statt Gemüse wird nun Energie angebaut. Großzügige Wohn- und Fensterflächen verbinden in Zukunft das Haus mit seiner Umgebung. Den Siegerentwurf entwickelten zwischen September 2009 und März 2010 in Zusammenarbeit VELUX, die TU Darmstadt unter Einbindung der Entwurfsverfasserin und Fachplaner zum LichtAktiv Haus weiter. Das VELUX Kompetenzteam, bestehend aus Architektur- und Lichtplanungs-Experten wie Professor Manfred Hegger und Lichtplaner Professor Peter Andres, FH Düsseldorf, stand beratend zur Seite.
Neu-Zonierung des Grundstücks
Der finale Entwurf, der Ende März in Hamburg vorgestellt wurde, zoniert das Grundstück neu. Während das Wohnhaus in seiner Grundstruktur weitgehend erhalten bleibt, ersetzt ein Neubauriegel den alten Anbau, der ursprünglich als Stallgebäude mit WC und Waschküche diente. Der neue Anbau unterteilt den Garten in Aufenthalts- und Nutzgarten. Zudem erweitert er die Wohn- und Nutzfläche und spielt eine zentrale Rolle für das Energiekonzept des LichtAktiv Hauses. Ein eingeschossiger Zwischenbau mit Flachdach, der als Verteiler zwischen Neu- und Altbau fungiert, erschließt das Bestandsgebäude und den Neubauriegel.
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Das Erdgeschoss des LichtAktiv Hauses: Zu sehen ist das Bestandsgebäude (oben) sowie der neue längliche Anbau (unten). Der Neubauriegel erweitert nicht nur den Wohnraum, sondern dient auch der Energieversorgung des Hauses. Grafik: VELUX Deutschland GmbH
Modernisierung des Bestandgebäudes
Im Erdgeschoss des Bestandsgebäudes löst der zentrale Erschließungs- und Bibliotheksbereich die ehemals kleinteilige und geschlossene Struktur sowohl horizontal als auch vertikal auf und öffnet den Raum bis zum Dach. Diesem Bereich kommt die Funktion einer so genannten Tageslichtlampe zu. Dachfenster sorgen dank der neuen, offenen, vertikalen Raumstruktur für viel natürliches Licht und machen die verschiedenen Tageszeiten erlebbar. Die Treppe ist als Mobiliar in die Tageslichtlampe integriert. Der untere Lauf der zweiläufigen Treppe ist um 90 Grad gedreht. Die oberen Läufe bestehen aus weißem Stahl und lassen den Raum hell und einladend erscheinen. Das Geländer aus weißem Stahlrahmen mit dazwischen gespannten Stahlseilen erzeugt eine größtmögliche Transparenz. Es entstehen großzügige, Licht durchflutete Wohnflächen für die ganze Familie, die zum gemeinsamen Erleben einladen. Der Treppenraum öffnet sich mit einer Fensterfront auf knapp fünf Metern Länge zum Garten hin und ermöglicht eine ungestörte Sicht ins Freie. Insgesamt erhöht sich die Fensterfläche des Bestandsgebäudes sogar von ehemals 18 m² auf 60 m². Das Erdgeschoss verfügt weiterhin über zwei Kinderzimmer sowie über ein Badezimmer.
Das Obergeschoß beherbergt Bad, Ankleide und Schlafzimmer. Der Schlafbereich verlagert sich im Vergleich zur ursprünglichen Aufteilung in den der Straße abgewandten Teil und schafft so einen Ort der Ruhe und Erholung. Der einst enge und dunkle Spitzboden wird als zusätzlicher Wohnraum erschlossen und verwandelt sich durch großzügige Dachfenster in eine lichtdurchflutete Galerie.
Der Anbau
Der neue Erweiterungsbau aus einer vorgefertigten Holzrahmenkonstruktion ist über einen Windfang an das Bestandsgebäude angebunden. Die Südfassade besteht aus einer Kombination opaker und transparenter Elemente. Die West- und Ostfassaden sind weitgehend geschlossen. Die Nordfassade setzt sich, ähnlich wie die Südfassade, aus teilweise opaken und teilweise transparenten Teilen zusammen.
Der Neubauriegel zeichnet sich durch eine offene Raumaufteilung mit Wohn-, Koch- und Essbereich aus. Die Zonierung erfolgt über raumteilende Möbel. Im westlichen Kopf des Riegels ist die Versorgungseinheit des Gebäudes integriert. Dieser enthält neben dem Haustechnikraum eine Vorratskammer und ein Gäste-WC. Der Riegel geht am westlichen Kopf in einen Carport über, dessen Konstruktion der des Riegels entspricht. Nach Osten hin schließt sich dem Wohnraum ein überdachter Freibereich an, der einen fließenden Übergang zum Garten schafft.
Das Energiekonzept des LichtAktiv Hauses
Das LichtAktiv Haus wird nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in CO2-neutraler Weise errichtet. Die Ökobilanz berücksichtigt den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes und seine potentiellen Auswirkungen – angefangen vom Bau über den laufenden Betrieb bis hin zu Sanierung, Abriss und Entsorgung.
Die Schwierigkeit der energetischen Modernisierung des Siedlerhauses liegt darin, die Gebäudehülle mit den heutigen Anforderungen an Energieeinsparung in Einklang zu bringen. Um den Standard der Energieeinsparverordnung (EnEV) zu genügen, werden die 24 Zentimeter starken Kalksandstein-Außenwände des Bestandsgebäudes von außen mit 20 Zentimeter starken Holzfaserplatten zusätzlich gedämmt. Moderne Holz-Alu-Fassadenfenster mit Wärmeschutzverglasung ersetzen die alten Fenster.
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Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Solareinbindung bildet das Kernstück der LichtAktiv Haus Gebäudetechnik. Das Komplettsystem deckt den Energiebedarf des Konzepthauses vollständig durch erneuerbare Energien. Grafik: VELUX Deutschland GmbH
Im Innenbereich dämmen Vakuum-Isolations-Paneelen die vorhandene Bodenplatte, um die geringe Raumhöhe bestmöglich auszunutzen und gleichzeitig EnEV-Anforderungen zu entsprechen. Die neuen Innenraumwände werden in Trockenbau gefertigt.
Das vorhandene Dach wird durch ein neues, in Vorfertigung hergestelltes, ersetzt. Als Dämmmaterial dienen Zelluloseflocken im Sparrenzwischenraum. Eine Holzfaserplatte dämmt die Sparren zusätzlich. Auf sie wird mittels einer Unterkonstruktion ein helles reflektierendes Dachdeckungsmaterial eingebaut.
Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Solareinbindung sorgt für reichlich Energie
Der Anbau sichert die Energieversorgung des LichtAktiv Hauses und kompensiert die Einschränkungen des Bestandes. Erneuerbare Energien decken den Energiebedarf für Heizwärme, Warmwasser, Haustechnik, Beleuchtung und Haushaltsstrom vollständig. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, gespeist durch Solarkollektoren, bildet das Kernstück der Gebäudetechnik. Das innovative Komplettsystem nutzt Sonnen- und Umweltwärme für eine einfache und autarke ganzjährige Energieversorgung.
Eine Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung wärmt die Wohnräume. Über einen Wärmetauscher wird frisches, hygienisches Trinkwasser durch eine Warmwasserbereitung im Durchlaufprinzip erwärmt, ein Trinkwasserspeicher ist nicht erforderlich. Photovoltaikelemente, als Glas-Glas-Module in die Dachverglasung integriert, ergänzen das System. Im Carport und dem überdachten Freibereich schützen die Elemente zusätzlich vor der Witterung und zu viel Sonne.
Über eine automatische Steuerung lassen sich alle Räume natürlich be- und entlüften, auf eine mechanische Lüftungsanlage kann verzichtet werden. Eine Zisterne im Vorgarten fängt Regenwasser auf, das für die Toiletten, die Gartenbewässerung und Waschmaschine genutzt wird. Der Wasserverbrauch im laufenden Betrieb sinkt so deutlich.
Die Kombination dieser Vielzahl an Maßnahmen ermöglicht es, das Konzepthaus CO2-neutral zu errichten. Damit erreicht das LichtAktiv Haus einen gleichwertigen Standard wie die anderen fünf Model Home 2020 Experimente, obwohl es das einzige Modernisierungsprojekt ist.