Was ist damit gemeint? Drei Beispiele möchte ich herausgreifen. Erstens, der immense Materialaufwand fürs Bauen: Das gesamte verbaute Material im deutschen Gebäudebestand wird auf ca. 15 Milliarden Tonnen geschätzt. Ein gewaltiges Potenzial für Ressourcenschonung und Klimaschutz, das bei weitem noch nicht gehoben ist. Denn die Herstellung von neuen Baumaterialien ist energieintensiv: Bis zu zehn Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in der EU entfallen auf die Herstellung von Bauprodukten. Und: Am Ende wird nur ein geringer Teil der verbauten Rohstoffe im Bauwesen wirklich wiederverwertet.
Verwertung ist nicht gleich Verwertung
Zweitens, das Abfallaufkommen und die Frage des (mangelnden) Recyclings: Mehr als die Hälfte des jährlichen Abfallaufkommens in Deutschland geht auf die Bauwirtschaft zurück. Und das mit steigender Tendenz – schließlich nehmen Bau- und Abbruchabfälle analog zur Konjunktur des Baugewerbes zu. Eine wirkliche Wiederverwendung findet bisher allerdings kaum statt. Bauabfälle landen häufig auf der Deponie oder werden in niederwertigeren Bereichen wie in Steinbrüchen eingesetzt, nicht aber für den Neubau von Gebäuden verwendet. Wir müssen also bereits bei der Planung darauf achten, welches Material wir in welcher Form verbauen, damit wir am Lebensende einer Immobilie möglichst alle Materialien wiederverwenden können.Rohstoffe im Kreislauf nutzen
Drittens, die Auswahl der verwendeten Baumaterialien: Die Auswahl an nachwachsenden Baustoffen und deren Einsatzmöglichkeiten sind groß. Massive Holzwände, Lehm oder Kork können vergleichsweise ressourcenarm produziert und nach ihrem Lebensende besonders gut wiederverwendet werden. Klimabelastende Baumaterialien wie etwa konventionell produzierter Zement und Stahl lassen sich durch nachwachsende Rohstoffe wie Holz ersetzen – nicht nur bei klassischen Einfamilienhäusern, sondern auch zunehmend bei Hochhäusern oder Mehrfamilien-Wohnblocks.Das senkt die Emissionen im Gebäudesektor erheblich. Denn während die Herstellung von Beton CO2-Emissionen verursacht, kann Holz diese binden. Allerdings muss für einen wirksamen Klimaschutz das Holz aus einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung gewonnen und nach Abriss des Gebäudes weiterverwendet werden. Denn nur wenn die Rohstoffe möglichst lange verbaut bleiben, werden auch die Emissionen auf Dauer gebunden.
Drei Beispiele, die zeigen: Die Phase der Herstellung und der Rückbau nach dem Lebensende einer Immobilie wird noch viel zu häufig vernachlässigt. Vor allem der Einsatz nachwachsender Rohstoffe und Baumaterialien mit einem hohen Recyclinganteil können dazu beitragen, die Energieaufwände und CO2-Emissionen im Gebäudesektor erheblich zu reduzieren.
Politische Leitplanken erforderlich
Keine Frage: In Kreisläufen zu denken und zu handeln, geht nicht allein. Echte Kreislaufwirtschaft erfordert die Zusammenarbeit einer Vielzahl von Akteuren. Im Gebäudesektor müssen Baustoffhersteller, Baufirmen, Bauherren und Baufinanzierer idealerweise unter vergleichbaren Rahmenbedingungen an einem Strang ziehen. Die Pläne der Ampelkoalition für einen digitalen Gebäuderessourcenpass und neue Strategien, um den Einsatz nachhaltiger Baumaterialien zu fördern, gehen deshalb in die richtige Richtung.Dennoch: Kreislaufwirtschaft bleibt eine Herkulesaufgabe, die letztlich nur durch definierte Standards und gesicherte Finanzierbarkeit zu bewältigen ist. Doch es lohnt sich: Experten schätzen, dass wir künftig aus dem so genannten anthropogenen Lager, das unser Gebäudebestand darstellt, den Großteil der Rohstoffe an Stahl, Edelmetallen oder Glas (wieder)gewinnen können – Stichwort: Urban Mining. Wenn wir Klimaschutz ernst meinen, führt kein Weg daran vorbei die Perspektive zu erweitern. Und künftig mehr in Kreisläufen zu denken.
Hausmeinung von Reinhard Klein, Vorsitzender des Vorstands der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG