Tatsächlich ist der Siegeszug des Einfamilienhauses vergleichsweise jung: Er setzt erst mit der industriellen Revolution ein, verspricht im Kaiserreich Flucht vor der hohen baulichen Dichte und der Umweltbelastung der Kernstädte und versorgt zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch breitere Bevölkerungsschichten mit naturnahem Wohnraum im Umland – der Straßen bzw. Eisenbahn sei Dank. Die Nationalsozialisten hingegen förderten das Einfamilienhaus, weil Wohngebiete mit geringer Dichte im Luftkrieg kein gutes Ziel abgaben.
In der Nachkriegs-BRD wird das Einfamilienhaus dann zum manifestierten Wirtschaftswunder, das das individualisierte, liberale Gesellschaftsbild in Stein meißelt und in Beton gießt. Heute ist das Einfamilienhaus die dominierende Wohnform, in Deutschland leben 53 Prozent der Bevölkerung in Ein- oder Zweifamilienhäusern, die 83 Prozent aller Wohnhäuser ausmachen. Von den annähernd 19 Millionen Wohngebäuden in Deutschland sind – Stand 2016 – 12,5 Millionen Einfamilienhäuser, weiß das Statistische Bundesamt. Dazu kommen noch gut 3 Millionen Zweifamilienhäuser.
Es ist also sinnvoll, sich auch im Jahr 2019 mit dem Einfamilienhaus zu beschäftigen. Und dabei vor allem auf die Qualität zu schauen! Zwar tut die schwarz-rote Bundesregierung einiges dafür, den Zuspruch für diese Wohnform zu zementieren, Stichwort Baukindergeld. Doch leider hat sie offensichtlich nie daran gedacht, den Zuschuss ausschließlich zu gewähren, wenn das Haus vom Architekten geplant wird. Und statt die Sätze der HOAI zu erhöhen, steht die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure gerade beim Europäischen Gerichtshof zur Disposition.
Das ist beim Wettbewerb „Häuser des Jahres“, der die 50 besten Einfamilienhäuser im deutschsprachigen Raum auswählt, in diesem Jahr bereits zum neunten Mal, naturgemäß anders. Bei der Kommunikation mit den 50 Architekten, die mit ihren Büros die Häuser geplant und gebaut haben, die zu den Häusern des Jahres 2019 gehören, habe ich erstmals auch danach gefragt, was der Reiz und das Problem beim Bau eines Einfamilienhauses ist.
Stellvertretend für die vielen klugen, ehrlichen, nachdenklichen, begeisterten Antworten, die ich erhalten habe und von denen wir einige im Buch für Sie abgedruckt haben, sagt der Münchner Architekt Thomas Unterlandstättner: „Reizvoll ist das Individuelle, das Maßgeschneiderte. Problematisch ist das Individuelle, das Maßgeschneiderte. Beides ist – wenn es bis zum Ende durchgehalten wird – unbeschreiblich zeitaufwendig, nervenaufreibend und über weite Strecken nicht angemessen entlohnt. Aber es ist auch schön, wenn die Bauherren, nachdem die anfänglichen Kinderkrankheiten beseitigt und die nachgezogenen Fertigstellungen in Vergessenheit geraten sind, zufrieden und glücklich sind in ihrem Haus und man als Architekt nach Jahren vorbeikommt und feststellt: Es funktioniert!
Damit alle ausgewählten Häuser auch für Sie als Leser schön und reizvoll zum Anschauen sind, haben wir das Buch „Häuser des Jahres 2019“ wieder vom Büro Rose Pistola aus München aufbereiten lassen. Wie gewohnt werden Häuser aus allen Teilen Deutschlands auf vier bis acht Seiten darin vorgestellt, ebenso wie Projekte aus der Schweiz, aus Südtirol und aus Österreich. Nachhaltigkeit ist für die Architekten längst kein extra zu erwähnendes Thema mehr, sondern Normalität: Mal wird dieser Anspruch technisch umgesetzt, mal vor allem durch die Wahl des Materials, mal durch die Flexibilität des Grundrisses, der an zukünftige Nutzer und ihre Bedürfnisse denkt und manchmal einfach schon durch die richtige Setzung auf dem Grundstück.
Häuser in der Stadt überzeugten die Jury ebenso wie Häuser auf dem Land, die meisten sind neu gebaut, einige haben sich mit Bestand auseinandergesetzt. Die 50 Häuser werden präsentiert anhand professioneller Innen- und Außenraumfotos. Lagepläne im Maßstab 1:2000 machen die städtebauliche Einbindung der Gebäude deutlich, Grundrisse und Schnitte – in der Regel im Maßstab 1:400 – wurden von den Architekturbüros zur Verfügung gestellt ebenso wie Angaben über Grundstücksgröße, Wohnflächen, Bauweise, Energiestandard, Baujahr und bisweilen auch die Baukosten.
Die Architekten haben angegeben, mit welchen Herstellern und Firmen sie zusammengearbeitet haben, von den Architekten stammen zudem die Entwurfserläuterungen, die mir beim Verfassen der Hausbeschreibungen geholfen haben. Die meisten haben mir bereitwillig und ausführlich geschildert, wie sie an den Auftrag gekommen sind, welche Herausforderungen der Entwurf und die Realisierung an sie stellte und welche Reaktionen das Haus in der Nachbarschaft provozierte.
Die Frage, wie das Verhältnis zwischen Architekt und Bauherr nach Fertigstellung des gemeinsamen Projekts ist, erübrigt sich wie üblich: Keines der Gebäude wäre in diesem Buch, wenn sich Bauherren und Architekten nicht mehr verstünden, die Zustimmung der Nutzer ist selbstverständliche Bedingung für die Teilnahme am Wettbewerb. Daher gilt auch in diesem Jahr: Kompliment und ein herzlicher Dank allen Architektinnen und Architekten und ihren Bauherrinnen und Bauherren! Es lohnt sich. Trotz allem und gerade deswegen.
Der Wettbewerb
Zum neunten Mal lobte der Callwey Verlag in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architektur Museum und den Partnern InformationsZentrum Beton, Interhyp, Atrium/Das IDEALE HEIM, ntv, der Neuen Zürcher Zeitung sowie dem Magazin Baumeister den Wettbewerb „Häuser des Jahres – die besten Einfamilienhäuser“ aus.Die überzeugend besetzte Jury erkor im Februar 2019 aus 180 Einreichungen 50 Projekte und benannte aus diesen einen Preisträger, eine Auszeichnung und fünf Anerkennungen. Dabei wurde Wert auf Nachhaltigkeit, innovativen Einsatz von Materialien, kreativen Umgang mit der baulichen Situation und auf konsequente Ausführung gelegt.
Das Buch zum Wettbewerb präsentiert diese 50 besten Häuser – mit zahlreichen Fotos, Lage- und Architektenplänen und aussagekräftigen Projektbeschreibungen aus der Feder von Katharina Matzig, Architekturjournalistin. Jan Weiler, Journalist, Redakteur und ehemaliger Chefredakteur des SZ Magazins, verfasste die Einleitung.
Den mit 10.000 Euro dotierten ersten Preis gewann hehnpohl architektur bda aus Münster, für das Projekt Respekt in Münster. Urteil der Jury: Es handelt sich hier um ein reduziertes, aber auch urbildliches Backsteinhaus mit Satteldach in einer kleinmaßstäblichen Altstadt. Es wirkt angemessen in seinen Proportionen und seinem Klinkermaterial und nimmt viel Rücksicht auf den städtebaulichen Kontext was Höhe und Masse angeht, gleichzeitig wirkt es aber auch geheimnisvoll. Denn im Erdgeschoss gibt es lediglich ein größeres, kupfernes Tor für Auto und Menschen, aber es werden keine Einblicke gewährt.
In den beiden Obergeschossen kommt lediglich nur je ein weiteres Fenster hinzu. Die leicht modischen Einkerbungen an den Laibungen dieser Fenster verorten es zeitlich im aktuellen Geschehen, ebenso wie die geschosshohen schrägverlaufenden Ausrichtungen, die allerdings in den verschiedenen Fluchtlinien der Nachbarschaft begründet liegen und an mittelalterliche Auskragungen erinnern. Dafür kann das Innere mit einer spannenden Raumfolge aufwarten, die sich über eine skulpturale Sichtbetonerschließung in Form einer Treppe über drei Geschosse mit Lichteinfall artikuliert und sich im Erdgeschoss mit einem, von außen nicht erkennbaren, Terrassenhof verbindet.
Dieses kleine Haus ist ein würdiger Gewinner in einem Architekturpreis, der sich mit seinem unzeitgemäßen Thema des freistehenden Einfamilienhauses angeblich dem Flächenfraß und der Zersiedlung verschrieben hat. Es geht auch anders, frohlockt das kleine Haus in der Reihe: Und das auch noch sehr gut, nickt die Jury.
Auszeichnungen
Think Architecture, Zürich (CH), für das Haus „Parkhaus“ in ZürichAnerkennungen
- Bernardo Bader Architekten, aus Bregenz (A) für die Arbeit „Dorfschönheit“, in Trogen (CH)
- Nord Studio, aus Berlin für das Projekt „Haus an der Elbe“, in Wedel
- mia2/ARCHITEKTUR ZT KG, aus Linz für die Arbeit „Das Rundherumhaus“, in Bürserberg
- DALUZ GONZALEZ ARCHITEKTEN, aus Zürich mit der Arbeit „Den See im Blick“, in Herrliberg (CH)
- Jurek Brüggen Arch BSc ETH + Sebastian Sailer Kosa Architekten, aus Werder für das Projekt „Das Jahreszeitenhaus“, auf der Insel Werder
Außenwand/Fassade
- Saint-Gobain Weber GmbH, Produkt: weber.thermcircle – Zero Waste WDVS
- maxit Gruppe – Franken Maxit Mauermörtel GmbH & Co, Produkt: maxit eco 72 – spritzbare Außendämmung
- Ziegelei Hebrok, Produkt: "Original Wasserstrich Backstein Klinker" „calor flamma“
Innenwandgestaltung
- Claytec e.K., Produkt: YOSIMA Lehm-Designputz
Dachgestaltung
- Linzmeier Bauelemente GmbH, Produkt: LINITHERM – Das gesündere Dach
Fenster
- Solarlux GmbH, Produkt: Glas-Faltwand
- REHAU, Produkt: GENEO RAU-FIPRO
Sonnenschutz
- weinor GmbH & Co. KG, Produkt: Terrazza Pure
Außentüren und Tore
- Air-Lux Technik AG, Produkt: air-lux Pivottüren
Beschläge
- Raimund Beck KG, Produkt: LignoLoc®
- Karcher GmbH, Produkt: Kosmos Schwarz
Treppensystem
- Lifton GmbH, Produkt: LiftonDUO LiftonTRIO
Smarthome
- JUNG, Produkt: System LS 990
Parkett, Laminat und Designböde
- Parador GmbH, Produkt: Open Frameworks Design Edition by Hadi Teherani
Armaturen
- KEUCO GmbH & Co. KG, Produkt: IXMO_solo Thermostat
- Grohe AG, Produkt: GROHE Plus
WC und Zubehör
- Geberit Vertriebs GmbH, Produkt: Geberit AquaClean Mera
Waschbecken
- Bette GmbH & Co. KG, Produkt: BetteCraft
Küche
- BORA Vertriebs GmbH & Co KG, Produkt: Bora Classic 2.0
Weitere Infos unter http://haeuser-des-jahres.com. Partner des Wettbewerbs sind das Deutsche Architekturmuseum, das InformationsZentrum Beton, der Baumeister, Interhyp, Atrium/Das IDEALE HEIM, ntv, die Neue Zürcher Zeitung sowie der Callwey Verlag.
Die Autoren
Jan Weiler ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch Maria, ihm schmeckt´s nicht! Gilt als eines der erfolgreichsten Romandebüts der Nachkriegszeit. Katharina Matzig hat Architektur an der TU Braunschweig studiert und als Redakteurin für BauNetz in Berlin gearbeitet. Sie schreibt Texte für Fach- und Tagespresse und ist seit 1997 für die Architekturvermittlung bei der Bayerischen Architektenkammer zuständig.Die Jury
Vorsitz: Peter Cachola Schmal, (Direktor Deutsches Architekturmuseum, Juryvorsitzender); Nicola Borgmann, (Architektin und Kunsthistorikerin, Leitung Architekturgalerie München); Jochen Dietrich, (Redaktionsleiter n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH); Prof. Alexander Gutzmer, (Chefredakteur Architekturmagazin Baumeister); Thomas Kröger, (Architekt und Gewinner „Häuser des Jahres 2018“); Dr. Gerhard Mack, (Redaktion Architektur, Neue Zürcher Zeitung); Katharina Matzig, (Architekturjournalistin und Buchautorin); Roland Merz, (Chefredakteur Archithema Verlag); Ulrich Nolting, (Geschäftsführer InformationsZentrum Beton); Jan Weiler, (Journalist und Schriftsteller)Häuser des Jahres
Die besten Einfamilienhäuser 2019Jan Weiler / Katharina Matzig
2019. 332 Seiten, 550 farbige Abbildungen und Pläne
23 x 29,7 cm, gebunden
€ [D] 59,95; € [A] 61,70; sFr. 79,00
ISBN 978-3-7667-2425-0