Sanierung von Fachwerkhäusern - Im Grunde solide

Fachwerkhäuser sind Meisterwerke der Holzarchitektur, gebaut, um Jahrhunderte zu überdauern. Doch unsere modernen Komfortansprüche und gedankenloses „Sanieren“ sind vielen von ihnen schlecht bekommen. So macht man’s richtig ...
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Das Geheimnis der Beständigkeit eines Fachwerkhauses liegt zum einen in seiner Elastizität. Es besteht traditionell lediglich aus dem tragenden Holzskelett und den Ausfachungen, Lehm oder mit Kalkmörtel vermauerte Vollziegel, die die unmerklichen Bewegungen des Holzes bei Feuchteaufnahme und -abgabe mitmachen. Zum anderen lassen die früher verwendeten Baustoffe und Anstriche das „Atmen“ der Haushülle zu, die ungehinderte Dampfdiffusion.

Grafik: Wolfgang Lenze
Die wesentlichen Elemente der Fachwerk-Konstruktion und ihre Bezeichnungen: (1) Schwellbalken/Schwelle, (2) Eckpfosten/Eckständer, (3) Pfosten/Ständer/Stiel, (4) Strebe, (5) Riegel, (6) Rähm, (7) Knagge, (8) Deckenbalken


Zu warm, zu dicht ...


Foto: Caparol

Foto: Caparol

Leider ging das Wissen der Altvorderen im 20. Jahrhundert größtenteils verloren.

Häuser, die seit dem Mittelalter Wind, Wetter und dem Fehlverhalten ihrer Bewohner getrotzt hatten, verfielen auf einmal in rasantem Tempo.
Die Leidensgeschichte war – und ist – immer dieselbe: Das Gebäude soll modernen Wohnansprüchen angepasst und optisch aufgefrischt werden. Weil wir es wärmer lieben als unsere Vorfahren, öfter baden und duschen, ist die Luftfeuchtigkeit sehr viel höher.
Anstatt nun dafür zu sorgen, dass sie entweichen kann, wird versucht, die Haushülle zu verpacken und zu versiegeln, mit Dampfsperrfolien im Inneren, zu dicken Dämmschichten, mit diffusionsdichten Fassaden.

Foto: Conluto

Foto: Conluto

In einem Fachwerkhaus aber sind rechte Winkel und völlig ebene Flächen die Ausnahme, das macht gerade seinen Charme aus. Schwerlich bekommt man es so dicht wie einen Neubau.

So dringt irgendwann die Feuchte ins Holz, kann jedoch nicht mehr hinaus. Fäulnis, Schimmelpilz und Schädlinge halten Einzug. Zweiter Kardinalfehler: Die flexible Fachwerkkonstruktion wird mit starren Materialien kombiniert, was zu Spannungen im Bau und damit zu Rissen und Undichtigkeiten führt.


Ausnahmen in puncto Wärmeschutz
Laut der EnEV, der Energie-Einspar-Verordnung, muss die Modernisierung eines Altbaus einen Wärmedurchlass-Wert der Außenwände von 0,45 W/m2K bringen. Ausnahmen erlaubt Paragraph 16, Abschnitt 1: Wenn die geforderten Maßnahmen „die Substanz oder das Erscheinungsbild“ des Altbaus gefährden, können die zuständigen Behörden auf Antrag von der Einhaltung absehen. Mit den hier vorgestellten Materialien erreicht man ohne weiteres den für Fachwerkhäuser angemesseneren und statthaften U-Wert zwischen 0,6 und 0,8 W/m2K.



Foto: Claytec

Foto: Claytec

Schon die erste Bestandsaufnahme sollte man zusammen mit einem Experten durchführen. Es gibt genug Zimmereibetriebe, die sich auf Fachwerkhäuser spezialisiert haben und ihre Erfahrungen durch Referenzen belegen können. Dem Laien ist meist nicht ersichtlich, welchem Balken welche Funktion im manchmal recht komplizierten Gefüge zukommt. In dringenderen Fällen wird man zuerst die Konstruktion abstützen, um sich anschließend in Ruhe der weiteren Analyse zu widmen. Dann wird geklärt, bis zu welchem Standard sinnvoll modernisiert werden kann.


Alte Hausmittel anwenden


Foto: Wolfgang Lenze

Foto: Wolfgang Lenze

Ersetzen und Ausbessern müssen mit den althergebrachten Baustoffen erfolgen. Gut geeignet sind Balken aus der „Konkursmasse“ anderer Häuser.

Ansonsten ist getrocknetes Eichenholz zu verwenden. Schadhafte Stellen werden großzügig entfernt und die Ersatzstücke mit zimmermannsmäßigen Verbindungen, ohne Metall, eingepasst und befestigt, damit die Elastizität des Gefüges erhalten bleibt. Genauso greift man für die Ausfachungen auf alte Rezepturen zurück, etwa die Lehmausfachung.

Grafik: Wolfgang Lenze

Grafik: Wolfgang Lenze

Lehm bindet physikalisch ab und bleibt auch danach noch in gewissem Maße elastisch. Er nimmt extrem viel Feuchte auf, ohne an Stabilität zu verlieren und hält den Feuchtegrad im Holz konstant unter dem kritischen Niveau – Pech für Pilz und Holzschädling.

Fertigprodukte wie Leichtbauplatten, Putzplatten, Leichtlehm-Schüttungen und Lehmsteine sind ideal für die Fachwerksanierung. In den Gefachen können Lehmmörtel zum Einsatz kommen, klassisch auf Rutengeflecht aufgeworfen und verstrichen, oder Lehmsteine.

Foto: Wolfgang Lenze

Foto: Wolfgang Lenze

Innen dient Leichtlehm in vielen Variationen zur nachträglichen Dämmung. Damit bleibt die Wand diffusionsoffen – Außendämmung verbietet sich für Sichtfachwerk. Wo Ziegelausfachungen Tradition sind, liegt es nahe, die alten zu sammeln, zu reinigen und wieder zu vermauern.

Schließlich die Wandbeschichtung: Zementputze haben auf Fachwerk generell nichts zu suchen, Öl- und Kunstharzfarben, Latexfassadenfarben, Dispersions- und Acrylharzfarben sind tabu. Erlaubt sind Lehmputze, Sumpfkalk-, Trasskalk- oder Weißkalkhydrat-Putze. Darüber können Silikonharzfarben, Mineral- oder Silikatfassadenfarben, innen Kasein- und Leimfarben aufgetragen werden.


Realistische Ansprüche


An ein Fachwerkhaus sollte man nicht ganz die gleichen Ansprüche stellen wie an einen Neubau. Die eine oder andere Einschränkung im Komfort ist durchaus hinnehmbar, dafür ist es ein Musterbeispiel ökologischen Bauens. Wohngesundheit ist garantiert, gerade die „atmenden“ Wände machen sich positiv bemerkbar. Behutsames Sanieren mit den guten alten Hausmitteln erhält diese Vorteile und bewahrt die Individualität.


Fach-Buch
Einige der gezeigten Abbildungen stammen aus diesem Handbuch (Fotonachweis: Wolfgang Lenze). Im Detail werden darin die geeigneten Baustoffe und Methoden zur Sanierung von Fachwerkhäusern erklärt und auch die ungeeigneten benannt.
Es geht ums ganze Haus: Keller, Fußboden, Fundamentsockel, Fachwerk, Ausfachung, Wärmedämmung, Putz, Dachstuhl, Dachausbau, Fenster und Anstrich. Immer im Hinblick auf eine solide und dauerhafte Bauphysik und eine ansprechende Ästhetik.
Lenze, Wolfgang, Fachwerkhäuser restaurieren – sanieren – modernisieren, Materialien und Verfahren für eine dauerhafte Instandsetzung, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2004, 246 Seiten, 166 Zeichnungen und Fotos, fester Einband, ISBN 3-8167-6431-2, 36 Euro.


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